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Recherche zur Straßenumbenennung

Bad Dürkheimer Persönlichkeiten im Nationalsozialismus: Ergebnis der historischen Aufarbeitung 

Recherche zur Straßenumbenennung 

Das Ergebnis ist eindeutig: Karl Räder war überzeugter Nazi, Gustav Ernst ebenso. Philipp Fauth hat seinen Professorentitel dem NS-Ahnenerbe zu verdanken. Bei allen dreien findet sich demokratiefeindliches, nationalsozialistisches und antisemitisches Gedankengut.

Veröffentlichungen im Amtsblatt

Gemäß einem Stadtratsbeschluss sollte anlässlich des 150. Geburtstags im Jahr 2020 im Stadtmuseum Bad Dürkheim mit einer Sonderausstellung an den Pfälzer Mundartdichter Karl Räder erinnert werden.

Bei den daraufhin angestellten Recherchen zu seinem Lebenslauf verdichteten sich rasch die Hinweise auf eine enge Verbindung und ideologische Nähe zum Nationalsozialismus. Die Untersuchungen ergaben, dass Räder – der sich eigenen Aussagen zufolge in der Weimarer Republik „aus Ekel vor dem Parlamentarismus“ nicht politisch engagiert hatte – schon bald nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten als Propagandist des NS-Regimes in Erscheinung trat. In Gedichten und volkstümlichen Theaterstücken begrüßte er die „neuen Verhältnisse“. Als glühender Verehrer Adolf Hitlers verfasste er ihm zu Ehren etliche Gedichte und trat bei zahlreichen Veranstaltungen mit NS-Funktionären in Erscheinung. Ungeachtet dessen wurde er aufgrund seiner früheren Mitgliedschaft in einer Freimaurerloge, die er nach eigenen Angaben 1932 beendet hatte, nicht in die Reichsschrifttumskammer aufgenommen – auch nicht nach inständigem Erbitten seinerseits und den wiederholten Beteuerungen seiner Reue über diese „größte Dummheit meines Lebens“. Auf einer Reise in die USA 1938/39 warb Räder bei öffentlichen Vorträgen vor Deutschamerikanern für das nationalsozialistische Regime und äußerte sich in einem Reisebericht negativ über die dortige „jüdische Presse“. Antisemitische Klischees beschwor er in einem Kasperletheaterstück, das er für seine Kinder im privaten Rahmen verfasste. Später während des Kriegs veröffentlichte er Durchhalteparolen in Versform. Seine persönlichen Aufzeichnungen aus den Kriegsjahren zeigen, dass seine öffentlich zur Schau gestellte Haltung auch seiner privaten Einstellung entsprach, so z.B. ein nach dem Tod des Sohnes beim Afrikafeldzug verfasstes Gedicht. Aus Räders Tagebucheinträgen aus der unmittelbaren Nachkriegszeit geht zudem hervor, dass er sich nie eindeutig von dem Unrechtsregime distanziert hat.

Am 17.10.2019 beschloss der Kulturausschuss Bad Dürkheim, im Licht dieser vorläufigen Erkenntnisse zu Karl Räder auf die Realisierung der Ausstellung zu verzichten. Es stellten sich zudem weitere Fragen:

  • Wie ist generell mit der öffentlichen Würdigung Karl Räders durch die Stadt weiter umzugehen?
  • Beziehen sich in Bad Dürkheim weitere Straßennamen auf Personen, deren Wirken als ähnlich problematisch einzustufen ist?

Auf Grundlage einer diesbezüglichen Durchsicht der nach Personen benannten Straßen in Bad Dürkheim fasste der Kulturausschuss einstimmig den Beschluss, neben den Nachforschungen zu Karl Räder auch das Wirken des hier geborenen Volksschullehrers und Amateurastronomen Philipp Fauth sowie des Dekorations- und Kunstmalers Gustav Ernst mit besonderer Berücksichtigung der Zeit des Nationalsozialismus zu untersuchen.

Für eine eingehendere historische Bewertung wurden im Fall von Karl Räder und Philipp Fauth externe Gutachten in Auftrag gegeben. Zu Gustav Ernst erfolgte eine interne Bewertung, da hier eine bereits vor etlichen Jahren veröffentlichte Darstellung über seine antisemitische Einstellung und der Hinwendung zum Nationalsozialismus vorlag. In allen Fällen bestätigten sich bereits vorhandene Bedenken, die durch zahlreiche weitere Erkenntnisse zusätzlich bekräftigt wurden.

Philipp Fauth, der sich als Amateurastronom einen Namen gemacht hatte, wandte sich um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert der von Hanns Hörbiger entwickelten pseudowissenschaftlichen Theorie der Welteislehre zu, die schon damals von der seriösen Fachwelt abgelehnt wurde, aber dennoch unter Laien eine große Anhängerschaft fand. 1936 wurde Fauth in den Personenkreis aufgenommen, der die Propagierung der Welteislehre im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie unter der Schirmherrschaft Heinrich Himmlers vorantreiben sollte. Der Reichsführer SS war ein großer Bewunderer Fauths und blieb ihm bis zu dessen Tod 1941 verbunden. Im Januar 1937 trat Fauth dem Verein Ahnenerbe bei, seit März 1938 war er dessen fester Mitarbeiter. Die von Himmler ins Leben gerufene Institution des Ahnenerbes sollte die vermeintliche rassische Überlegenheit des „arischen Menschen“ auch „wissenschaftlich“ nachweisen. Obwohl der Nürnberger Militärgerichtshof nach dem Zweiten Weltkrieg das Ahnenerbe – im Gegensatz zur eigentlichen SS – nicht als verbrecherische Organisation einstufte, stützten die Forschungsprojekte des Ahnenerbes die nationalsozialistische Weltanschauung. Durch die persönliche Fürsprache Adolf Hitlers wurde Fauth im Januar 1939 zum Professor ohne Bindung an eine Universität ernannt, ungeachtet der Einsprüche der LMU München angesichts Fauths fehlender wissenschaftlicher Qualifikation. Fauths ideologische Nähe zu nationalistischem, rassistischem und antisemitischem Gedankengut zeigte sich allerdings schon wesentlich früher. Als Bewunderer von Houston Stewart Chamberlain (1855–1927), einem der bedeutendsten Wegbereiter des rassistischen und ideologischen Antisemitismus in Deutschland, verbreitete er dessen Schriften nicht nur im persönlichen Umfeld, sondern auch während des Ersten Weltkrieges in den in der Region eingerichteten Militärlazaretten. Chamberlain trat in der Weimarer Zeit später als Unterstützer Hitlers und der NSDAP in Erscheinung, die ihn wiederum als Vordenker ihrer Ideologie verehrte. Zuvor bereits war er Mitglied der Deutschen Vaterlandspartei, einem Sammelbecken der extremen politischen Rechten, für deren Gedankengut auch Fauth in seinem Umfeld Werbung machte. Von daher wirkt Fauths Selbstbezeichnung aus dem Jahr 1939 als „vielleicht ältester Nationalsozialist“ im Sinne seiner ideologischen Haltung glaubwürdig. Trotz seiner Leistungen bei der Kartierung des Mondes waren die genannten Erkenntnisse ausschlaggebend für die Entscheidung des Stadtrats, dass die Benennung einer Straße nach Philipp Fauth nicht mehr haltbar ist.

Aus den Tagebucheinträgen des Malers Gustav Ernst ist ersichtlich, dass dieser schon lange vor der Machtergreifung mit dem Gedankengut der Nationalsozialisten und Adolf Hitler sympathisierte, sich hier auch antisemitisch äußerte und damit klar positionierte. So finden sich u.a. Hitlerzitate in seinen Tagebüchern, die er mit floralen Rahmungen und Ornamenten verzierte und hervorhob. Ungeachtet der Unterstützung, die Ernst nach dem Verlust seines Vermögens in den Inflationsjahren von verschiedenen Einrichtungen sowie seitens staatlicher und kommunaler Institutionen erhalten hatte, unter anderem durch Fürsprache des jüdischen Stadtrates Ludwig Strauß von Dürkheim, blieb er bei dieser Haltung.

Am 28.3.2023 entschied der Stadtrat nach der wissenschaftlichen Aufarbeitung und der Kenntnis der Lebensläufe schließlich, dass Bad Dürkheim diese drei Personen nicht durch eine Straßenbenennung weiter ehren wird. Alle drei Personen zeichneten sich als überzeugte Antidemokraten aus. Aus diesen Gründen ist die Ehrung in Form einer Straßenbenennung durch die Stadt Bad Dürkheim in dieser Form nicht mehr haltbar.

Stattdessen sprach sich der Stadtrat dafür aus, dass Dürkheimer mit Straßennamen geehrt werden, die für Freiheit und Demokratie gekämpft haben: Johannes Fitz (der „rote Fitz“) als Mitorganisator des Hambacher Fests und Rudolph Christmann als Dürkheimer Abgeordneter des ersten gesamtdeutschen Parlaments in der Frankfurter Paulskirche. Weitere Informationen finden Sie hier: https://www.bad-duerkheim.de/rathaus-buergerservice/service/strassennamenumbennenung-buergerentscheid/wem-gebuehrt-die-ehre-sonst/

Die Maler-Ernst-Straße wird zur Rudolph-Christmann-Straße, die Philipp-Fauth-Straße wird zur Johannes-Fitz-Straße und die Karl-Räder-Allee zur Lindenallee.

Aktuell und bis zum Bürgerentscheid am 24. September informiert eine Ausstellung im Stadtmuseum Bad Dürkheim über die drei Personen. Die Tafeln der Ausstellung mit textlichen und bildlichen Informationen zu den Personen finden sich hier: https://www.bad-duerkheim.de/rathaus-buergerservice/service/strassennamenumbennenung-buergerentscheid/recherche-zur-strassenumbenennung/